Gigabit-Ethernet machts möglich: ein dynamisches Messdatenerfassungssystem großer Kanalanzahl, dezentral verteilt mit kaskadierbarer Rechenleistung.
Der Unternehmensbereich Power Generation innerhalb der Siemens AG ist einer der weltweit führenden Spezialisten für Systeme und Komponenten zur Energieerzeugung und zum Energiemanagement. Im Rahmen der kontinuierlichen Weiterentwicklung und Optimierung seiner Produkte betreibt das Unternehmen im Gasturbinenwerk Berlin ein Prüffeld für Untersuchungen an Gasturbinen. Die Anforderungen an die Messtechnik sind dabei enorm: Typischerweise müssen über 300 dynamische Kanäle mit Abtastraten bis zu 50 kHz pro Kanal erfasst werden.
Im Zuge einer Modernisierung des Gasturbinen-Prüfstands wurde der Würzburger Messtechnik-Spezialist LTT Tasler mit der Lieferung eines neuen dynamischen Messdatenerfassungssystems beauftragt. Das neue Konzept basiert auf einem vernetzten System von Erfassungs-, Display-, Monitor- und Speicher-Stationen auf Basis der Gigabit-Ethernet Technologie. Die topologische Struktur des Netzwerkes ist beliebig wählbar im Rahmen der Standardnormen, so dass alle Komponenten miteinander verbunden sind. Als zentrale Kontroll-Instanz sorgt ein einzelner so genannter Master-Knoten (PC) für die Konfiguration und das Hardware-Management des gesamten Messsystems.
Für die dezentrale Erfassung und Aufbereitung der dynamischen Signale werden insgesamt 10 Frontend-Systeme vom Typ LTT180-32 SensorCorder eingesetzt. Diese beinhalten 32 galvanisch getrennte Eingangskanäle inklusive integrierter Kombiverstärker für Volt-, DMS- und ICP-Signale. Im DMS-Betrieb werden Voll-, Halb- und Viertelbrücken-Schaltungen unterstützt. Eine optionale Speisung mit Konstantstrom ermöglicht dabei hoch genaue und äußerst rauscharme DMS-Messungen für Hochtemperatur Anwendungen. Wahlweise kann aber jeder einzelne Kanal auch für ICP-Sensoren und im Spannungs- AC- bzw. DC-Mode betrieben werden. Die Beschaltung für die jeweilige Sensorik wird dabei per Software konfiguriert – ein Umbau der Hardware ist hierfür nicht notwendig.
Das zentrale Netzwerk-Management sorgt dafür, dass jedem Frontend innerhalb des Netzes stets die benötigte Bandbreite für die Übertragung der aktiven Messkanäle zur Verfügung steht. Der Messdatenstrom von den Frontends zu den Display- und Speicherstationen basiert dabei auf einem abgesicherten Broadcast-Transfer. Damit ist es möglich, dass mehrere Display- und Monitoring-Stationen gleichzeitig den Datenstrom eines bestimmten Frontend-Systems empfangen können. Jede dieser Stationen kann unabhängig von den anderen ausgewählte Messkanäle anzeigen, speichern oder verarbeiten. Somit lassen sich z.B. große Kanalzahlen auf mehrere Online-Displays verteilen. Ähnliches gilt für das Backup der Messdaten. Die Netzwerklast ist dabei nahezu unabhängig von der Anzahl der Stationen auf der Verarbeitungsseite.
Die offensichtlichen Vorteile der dezentralen, digitalen Vernetzung liegen zum einen im wesentlich reduzierten Verkabelungsaufwand, zum anderen in einer geringeren Störanfälligkeit. Die gegenüber Einstreuungen empfindlichen analogen Kabel vom Sensor zum jeweiligen Frontend können relativ kurz gehalten werden. Die digitale Messdatenübertragung erfolgt dagegen über ein einziges, relativ unempfindliches Ethernet-Kabel, das auch als LWL ausgebildet sein kann. Auch größere Entfernungen (typisch z.B. 100 Meter) zwischen Messobjekt und Auswertestationen sind dabei problemlos und verlustfrei überbrückbar. Darüber hinaus erlaubt die Unabhängigkeit der einzelnen Display-Clients die Einbindung eigener Software Pakete seitens der Anwender über das bereitgestellte API. Da die Visualisierung und Überwachung dynamischer Daten fast ausschließlich im Frequenzbereich erfolgt, wird durch die Dezentralisierung der FFT-Berechnung auf die Visualisierungs-Clients eine erhebliche Effizienz- und Leistungssteigerung bei größtmöglicher Flexibilität erreicht. Ein besonderes Feature ist dabei die Möglichkeit, die gespeicherten Online-Messdaten im „Replay“-Modus nach Versuchsende nochmals abschnittsweise in die Visualisierungssoftware einzuspeisen, um beispielsweise eine Berechnung mit veränderten FFT-Parametern durchführen zu können.
Für Siemens-Anwender Dr.-Ing. Uwe Pfeifer, nach dessen Vorgaben die Komponenten des neuen Systems entwickelt wurden, liegt der wesentliche Vorteil in einer erheblich gesteigerten Personal-Effektivität bei der Installation, der Konfiguration und beim Betrieb des Systems. Auch die Zusammenarbeit mit LTT Tasler habe sich voll bewährt, da in einem engen und vertrauensvollen Prozess ein maßgeschneidertes System entwickelt wurde, das in seiner Leistungsfähigkeit und Effizienz einzigartig ist.